Stadtpfeiffer
(v.l.n.r.)
Hans-Joachim Heßler - Komposition & Klavier
Petra Naethbohm - Blockflöte & Barockoboe
Oliver Birk - Schlagzeug & Percussion
»Er [Heßler] hat sich von der Musik der Duisburger Stadtpfeiffer aus dem 12.
bis 18. Jahrhundert inspirieren lassen und sie mit moderner Musik kombiniert. [...] Das Publikum ist begeistert« (Sarah Schröer López in der WAZ vom 25.04.2016).
»Das Außergewöhnliche [...] ist, dass Heßler die Musik
des späten Mittelalters, der Renaissance und des Barock mit der von
heute konfrontiert und kombiniert.« (Rheinische Post vom 26.04.2016).
»Die "Stadtpfeiffers" sehen sich in der Tradition des Ruhrgebietes, die für sie
vor dem Zeitalter von Kohle und Stahl beginnt, als vor einem halben Jahrtausend zwischen Duisburg und Dortmund Handel, Wissenschaft
und Kultur einen Dreiklang bildeten. So knüpfen sie eine Verbindung zu
den Musikvirtuosen des Spätmittelalters und der Renaissance. [...] 120 Zuhörer waren von der Musik begeistert« (Rheinische Post vom 10.11.2015).
»Mit dem Ensemble "Stadtpfeiffer" nähert sich der Duisburger Komponist, Organist und Pianist Hans-Joachim Heßler der Stadt Duisburg als "Einfallstor für die niederländisch-burgundische Kunst".
In fantastischer Weise entwickelt er in Anlehnung an die Duisburger Stadtpfeifer vom 14. bis ins 16 Jahrhundert eine Musik für Orgel(pfeifen), Klavier, Blockflöte/Oboe und Schlagzeug.
Wer war jener Meister Wilhelm, welcher im 14. Jahrhundert wahrscheinlich über 30 Jahre lang in Duisburg wirkte und immer wieder von anderen Städten als Gastmusiker eingeladen wurde? Welche Musik hat Meister Johann, der von allen nur der "Lautenschläger" genannt wurde, im Duisburg des 15. Jahrhunderts wohl erklingen lassen? Wie mag sich der "Turmbläser" Liefappel wohl gefühlt haben, als er im Jahre 1467 mitverantwortlich für das Abbrennen des Salvatorturmes war, weil er eingeschlafen war und so die Bürgerinnen und Bürger Duisburgs nicht rechtzeitig warnen konnten? Meister Arndt Gardtz, auch "der Blinde" genannt, bewohnte Anfang des 16. Jahrhunderts ein Haus auf der Beekstraße. Wie wird seine Musik geklungen haben? Dann waren da noch der Stadtspielmann Walter Goldenberch, der aus den Niederlanden stammende Trompeter Joest Collet von Middelborch (Middelburg) und der Trommler Gerhard Flamm und viele Spielleute mehr...
Heßler wäre allerdings nicht Heßler, würde er die Musik des späten Mittelalters und der Renaissance nicht auch mit heutiger Musik konfrontieren. Mit der Frage: "Was für eine Musik machen die 'Stadtpfeifer' heute?", stellt er sich quasi selbst in die jahrhundertealte Tradition der Stadtmusiker« (aus dem Programm des Platzhirsch-Festivals vom 16.08.2015).
Klangbeispiel 1: Magistro Wilhelmo ludenti super citharam (Ausschnitt)
Meister Wilhelm war wahrscheinlich von 1359-1394 in Diensten der Stadt Duisburg. Der Titel der Komposition bezieht sich auf den folgenden Eintrag in den Duisburger Stadtrechnungen: "1394 - feria quinta post festum Conceptionis b. Marie virg. magistro Wilhelmo ludenti super citharam" (Im Jahre 1394 am Donnerstag nach dem Fest der Empfängnis der hl. Jungfrau Maria spielte Meister Wilhelm die Harfe).
Klangbeispiel 2: Meister Johan luytensleger (Ausschnitt)
Zu Meister Johan findet sich in den Duisburger Stadtrechnungen der folgende Eintrag: "1421 - meister Johan luytensleger dys avends opper sant Marien" (Im Jahre 1421 spielte Meister Johan, der "Lautenschläger", des Abends an Mariä Opferung).
Klangbeispiel 3: Tower Fire! (Ausschnitt)
"Im Jahre 1467 […] wurden drei Glocken, die im Thurme der großen Salvatorkirche aufgehangen werden sollten, auf dem Kirchhofe gegossen; und am Palmsonntage dieses Jahrs brannte der alte Thurm dieser Kirche bei einer Feuersbrunst ab, und die Glocken zerschmolzen. Diese Feuersbrunst war durch die Unachtsamkeit des eingeschlafenen betrunkenen Thurmwächters Adolf Liefappelers, bei Verwahrlosung seines Lichts entstanden" (Dr. August Christian Borheck, Geschichtsprofessor an der Alten Universität Duisburg in seiner im Jahre 1800 veröffentlichten "Geschichte der Stadt Duisburg am Rhein", S. 55).
Ab-Art-Ensemble
Hans Henny Jahnn
Manuel Kock, Film
Ab-Art-Ensemble:
Gesine van der Grinten, Mezzosopran
Hans-Joachim Heßler, Klavier
Ulrich Blomann, Bassklarinette, Saxophon
Tom Mega, Lesung
1993/94
»Unter den großen deutsch-sprachigen Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist
Hans Henny Jahnn (1894-1959) noch immer der unbekannteste. Sein sprachgewaltiger Roman Perrudja
und die bildhaft-visionär wuchernde Romantrilogie Fluß ohne Ufer sind
das deutsche Gegenstück zu Prousts, Joyces und Faulkners Romanen, die längst als Weltliteratur
anerkannt sind. Und Jahnn war nicht nur Schriftsteller. Er ist als Baumeister, Orgelspezialist
und Gründer einer Glaubensgemeinschaft, als Landwirt, Pferdezüchter und Hormonforscher
hervorgetreten. Die letzten Jahre seines Lebens schließlich waren durch seinen bedingungslosen
Kampf gegen die atomare Bewaffnung der Bundesrepublik, durch seine Warnung vor der atomaren
Bedrohung der Menschheit bestimmt. Alles, was Jahnn dachte, tat und schrieb, entsprang dem
Bewusstsein von der Einheit der Schöpfung, der harmonikalen Ordnung. Er hat gegen seine Zeit
gelebt und könnte, müsste gerade deshalb der Schriftsteller, der Zeuge unserer eigenen
Bedrängnisse und der Agonie des Realen sein, die sich heute vollzieht« (Hoffmann & Campe).
Die Besetzung des Ensembles bietet ideale Möglichkeiten, Grenzüberschreitungen zu
verwirklichen. Auf der einen Seite steht mit dem Saxophon ein Instrument, das sich in der
Popularmusik etabliert hat. Auf der anderen Seite der klassische Gesang, der durch die
experimentierfreudige Mezzosopranistin Gesine v.d. Grinten in hervorragender Weise besetzt ist.
Das verbindende Element bilden die Tasten-Instrumente. Die eigenwillige Besetzung des Trios
ermöglicht interessante, abwechselungsreiche und bisher ungehörte Klangfarben. Schon in seinem
Gründungsjahr wurde das Ab-Art-Ensemble auf dem Krefelder Gang-Art-Festival
für originäre Musik, Literatur und Kunst wegen seines eigenwilligen Umgangs mit den Texten
von Hans Henny Jahnn mit einem Preis ausgezeichnet.
Klangbeispiel 1: Claude und der ungerade Takt
Klangbeispiel 2: S.L.Y.
Ab-Art-Orchester
Particell da Requiem
von Ulrich Blomann
Gesine van der Grinten, Mezzosopran; Tom Mega, Gesang; Martin Fredebeul,
Bassklarinette; Hans-Joachim Heßler, Klavier; Ulrich Blomann, Saxophon;
Peter Eisold, Schlagzeug, Computer; Kai Struwe, Bass, Mirjam Hardenberg,
Susanne Ostermann, Dirte Gläsel, Violoncello; R. Zeranski, M. Muellbauer, H.J.
Heisenburger, Kontrabass; Kammerchor »cantico novo«
Leitung: Volker Buchloh
20.10.1991
12. Leverkusener Jazztage
Eine zuvor »unerhörte« Instrumentation mit Sopran-Solo (Belcanto),
Kammerchor, elektronischem Instrumentarium, Computer und einer
»klassischen« Jazzquartett-Besetzung, ergänzt durch sechs tiefe Streicher,
einen Bassbläser und einen zusätzlichen Schlagzeuger, ergibt eine vitale und packende
Musik, die Musik von Ab-Art, dem Particell da Requiem.
Freie Improvisationen von Kammerchor und der Belcanto-Dame, klassisches Basssolo
über einem Marsch-Rhythmus aus Schrottplatz-Geräuschen, opernhafte Chortutti, ins
Chaos mündende Kollektivimprovisationen, zarte Duette, vitale Solisten,
von computergesteuerter Elektronik bis zur Anleihe bei der Gregorianik reicht die Tonsprache...
Video
Trio Heßler/Werni/Wallmeier
Hans-Joachim Heßler:
Der Tanz auf dem Vulkan
2006
Hans-Joachim Heßler - Orgel, Klavier
Stefan Werni - Kontrabass, Virus-Synthesizer
Klaus Wallmeier - Schlagzeug
Das Werk »Der Tanz auf dem Vulkan« soll deutlich machen, dass intensive und tänzerische Musik auch heute noch zur Subversion in der Lage und als Politikum geeignet ist. Das Werk beginnt mit einem Jodler und einem sich daran anschließenden Ländler. Der Tanz auf dem Berg, wenn man so will. Zunächst gelangt hier pure Freude zum Ausdruck. Doch der Berg birgt Gefahren. Auch
der Vulkan ist letztendlich ein Berg: ein Berg, in dessen Innern es brodelt; Jahrhunderte lang kann alles friedlich sein, bis es dann zum Ausbruch kommt. Dieses kann als Metapher für die musikalischen Ausbrüche verstanden werden, die sich an den Ländler anschließen.
Zweimal zeigt sich im Verlaufe des Werkes der Flamenco. Dieser wohl feurigste unter den europäischen Volktänzen erklingt in einer schnellen, virtuosen Weise und in einer Elegie, dessen Thema
der Kontrabass vorstellt. Dem Feurigen und Lebhaften des Flamenco wird im Sinne eines Totentanzes Camille Saint-Saëns' »Danse Macabre« gegenüber gestellt. Nicht zuletzt im »Tanz der Salomé«, der als Programm dieses vulkanischen Tanzteiles zu lesen ist, zeigt sich, dass selbst ihr makabres Spiel mit dem Haupt Johannes des Täufers noch eine erotische Komponente beinhaltet.
Und wenn von Erotik die Rede ist, dann darf ein Tanz natürlich nicht fehlen: der Tango. Dieser mündet nach grellem Fortissimo in ein leises Schlagzeug-Solo. Daneben erklingen des Öfteren Passagen, die an die Aleatorik eines John Cage erinnern. Eine musikalische Reminiszenz an Thelonious Monk rundet das Werk ab.
FLAX-TRIO
Das Flax-Trio formierte sich im Sommer 1987 mit dem Ziel, drei erfahrene Jazzmusiker zu einem neuen kammermusikalischen Konzept zusammen zu führen. Mit Lust werden Grenzen zwischen verschiedenen Musikstilen niedergerissen, diese — in Einzelteile zerlegt — aufgesogen und in völlig neuen Formen dem Hörer nahe gelegt. Ein wichtiger Anstoß war die Musik von Jimmy Guiffre. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Einflüssen aus der Afro-Amerikanischen Musiktradition, sowie der neueren europäischen Improvisationsmusik. Der Verzicht auf das herkömmliche Schlagzeug stellt den Spieler vor neue rhythmische Aufgaben, bietet aber auch die Möglichkeit zu differenziertem kammermusikalischem Soundgeflecht.
Orgel und Schlagzeug
Hans-Joachim Heßler:
Kaleidoskop #1
1999
Hans-Joachim Heßler, Orgel
Hans-Jürgen Kanty, Schlagzeug
»Das [...] vorgestellte Stück [Kaleidoskop #1] lebt zum großen Teil von der
Improvisation der beiden Musiker, die bestens harmonierten. [...] Wenn man die Mittel
der Klangerzeugung bei Joachim Heßler als ungewöhnlich beschreibt, dann bleibt für das
Spiel Hans-Jürgen Kantys nur noch das Adjektiv ›abgedreht‹ übrig. [...]
Dabei wirkte die volle Hingabe etwa bei seinen Vokal-Improvisationen oder seine Version
eines natürlichen Leslie-Effektes (ein etwa ein Meter langer Schlauch, durch den er
sang, während er das andere Ende schnell kreisförmig durch die Luft wirbelte) teilweise
sehr erheiternd und die [...] Besucher konnten sich oft ein Lächeln nicht verkneifen.
Auf der rein technischen Seite waren beide Musiker über jeden Zweifel und jedes Lächeln
erhaben. Wer die furiosen [...] Hochgeschwindigkeits-Soli [...] mitverfolgte, dem wurde
schnell klar, dass man es hier mit zwei excellenten Musikern zu tun hatte«
(Dorstener Zeitung vom 11.10.99).
»Joachim Heßlers ›Kaleidoskop #1‹ [...] konfrontierte [...]
wagemutige Zuhörer mit Klangexperimenten, die bisweilen die Frage aufkommen ließen, ob
das Vorgetragene den Bereich der Musik nicht schon verlassen hatte. Offenbar geht
Joachim Heßler aber davon aus, dass Musik der ›Postmoderne‹ sich neben
eklektisch zusammengefügten, freien Zitaten anderer Stile, Gattungen, Werke oder
Komponisten auch mit Komponenten verbinden kann oder muss, die nicht zur traditionellen
Musiksprache gehören: Vor allem der ›Perkussionspart‹ der Komposition
mit ›singenden Schläuchen‹, allerlei scheppernden, schwingenden und
klirrenden Gerätschaften [...] sorgte für Aufmerksamkeit, bisweilen auch für ungläubiges
Lächeln. [...] Das beste Heilmittel gegen unsere Lust, Kunst definieren zu wollen, ist
— das hat die Musik dieses Abends [...] gezeigt — scheinbar die Kunst selbst:
Sie entzieht sich bekannten Kategorien, bricht immer wieder Gewohnheiten auf und verhilft
denen, die es sich auf dem Ruhekissen ihres Geschmacks allzu bequem gemacht haben, zu
einem Neubeginn« (Borkener Zeitung vom 12.10.99).
Konzertmitschnitt als CD erhältlich.
Aus Lust, den Bogen zu spannen
Ein Zyklus von fünf Kompositionen mit sechs Klangspielen zu sieben Pendeln
von Rüdiger Beckemeier
1990
mit Hans-Joachim Heßler, Klavier
Der Komponist Rüdiger Beckemeier über seinen Zyklus Aus Lust, den Bogen zu spannen:
»III. Teil [...] – ein sehr angespannter, komplexer, polyphoner Satz, der zwischen
Bedrängtheit und beherztem Sich-Aufrichten schwankt. Der Mittelteil ist ein Scherzo mit
clownesken und grotesken Zügen.
IV. Teil [...] – eine Naturidylle.
Der Sommerwind (Flöte) wirft in einem kleinen See Wellen auf (Marimbaphon), in denen bricht
sich das Licht (Gitarre). Häufig aber verselbstständigt sich das musikalische Geschehen
und folgt spontan anderen Assoziationen. Der Mittelteil ist hier Ausdruck purer Lebensfreude.«
Heßler/Werni
Der Pianist Hans-Joachim Heßler und der Kontrabassist Stefan Werni lernten sich bereits
im Kindergarten kennen. Dort spielten sie zusammen mit Bauklötzchen und Lego-Steinen.
Ihre ersten Real-Book-Sessions veranstalteten sie zunächst im Party-Keller
der Eltern, bevor sie dann in der Recklinghäuser Altstadtschmiede im Alter von etwa 17
Jahren zum ersten Mal gemeinsam auftraten. Etwa 12 Jahre später, am 28.6.1997, entstand
im Rahmen des Jazzfestivals der Universität Dortmund der Live-Mitschnitt eines Konzertes
im Fritz-Henßler-Haus, der unter dem Titel Continuum contra Punctum als CD
bei NonEM-Records erhältlich ist. Stefan Werni studierte Kontrabass an der Musikhochschule
zu Köln. Er avancierte zu einem der bedeutendsten deutschen Jazz-Bassisten.
Continuum contra Punctum: Karl-Heinz Stockhausen schreibt im Vorwort zu seinem Werk
Kontra-Punkte: »Die ›Kontra-Punkte‹ [...] sind aus der
Vorstellung entstanden, daß in einer vielfältigen Klangwelt mit individuellen Tönen und
Zeitverhältnissen die Gegensätze so gelöst werden sollen, dass ein Zustand erreicht wird,
in dem nur noch ein Einheitliches [...] hörbar ist«. Continuum contra Punctum
knüpft an das Stockhausen'sche Werk an, um mit einer ähnlichen kompositionstechnischen
Umsetzung zu zeigen, dass der Zustand des Einheitlichen nicht nur nicht zu erreichen ist,
sondern erst gar nicht angestrebt werden sollte. Im Gegensatz zu Stockhausen setzt Heßler
der punktuellen Organisation von Violine, Kontrabass und Klavier eine kontinuierliche
Organisation des Marimbaphons entgegen. Das Marimbaphon versucht den Zustand des
Einheitlichen zu erhalten, doch das »Continuum« wird brüchig und verschwindet
schließlich ganz. Übrig bleiben die »Punkte«, die im Widerstreit zwischen
»Continuum« und »Punctum« überlegen sind, da nur sie Ereignis
sein können und in diesem Sinne in der Lage sind den Geist zu überwältigen. Das
»Continuum« dagegen wird schnell vom Geist erfasst und durchschaut, es kann
keine Innovationen freisetzen und scheitert. Im Mittelteil liefert ein großes
Marimbaphon-Solo die Essenz des Widerstreites zwischen »Continuum« und
»Punctum«.
Tonregelsystem 189: Der Titel dieser Komposition ist frei nach dem
terminologischem System des französischen Philosophen Jean-François Lyotard
gebildet. Ein Tonregelsystem wäre demnach ein Regelwerk für eine 189taktige Diskursart.
Dieses »Tonregelsystem« bedient sich der Töne aus dem »Tonuniversum«,
in dem alles Hörbare abgelegt ist. Die Töne wurden vom Komponisten zu vier Diskursarten
zusammengesetzt, die im Widerstreit zueinander stehen. Die Diskursarten stehen
inkommensurabel nebeneinander und aktualisieren sich unvorhersehbar bzw. nicht im voraus
hörbar und in diesem Sinne ereignishaft. Lediglich am Ende der Komposition treffen sich
die verschiedenen Diskursarten, aber auch nur deshalb, weil der Komponist in dem
ständigen Dilemma steckt, daß seine Kompositionen nicht unentwegt fortdauern können.
Die weitere Aktualisierung der Diskurse kann nicht fortwährend, sondern immer erst in
der folgenden Komposition stattfinden.
Heßler, Werni & Jendreiko
D.A. - Microelectronic and Mechanical Movements
2007
Hans-Joachim Heßler - Orgel, diverse Perkussionsinstrumente
Stefan Werni - Virus Redback, Virus TI und Yamaha DX7 Synthesizer, 1/4 Violoncello
Christian Jendreiko - Virus Indigo Synthesizer, Hohner SG 57 E-Gitarre
Die Initialen »D« und »A« aus dem Titel symbolisieren das Digitale und das Analoge. Stehen das Analoge und das Digitale als das Warme, Organische und das Kalte, Anorganische, oft in einem antithetischen Verhältnis zueinander, so wird hier beides in der Synthese vereint. Insbesondere die Kirchenorgel als rein mechanisches Instrument
verkörpert die analoge Seite. Hinzu kommen diverse Schlaginstrumente und ein Kindercello. Drei Virus-Synthesizer und ein Yamaha DX-7 gelangen im Sinne einer digitalen Klangerzeugung zum Einsatz. Dabei zeigt sich, dass die Orgel oftmals wie ein Synthesizer und der Synthesizer wie ein mechanisches Musikinstrument erklingt. Digitales und Analoges wird ununterscheidbar. Das Digitale mutiert, wie zu allen Zeiten bereits das Analoge, zur Körperprothese der Musiker, zu einem organischen Instrument. In Varèses Pionierwerk »Poème Électronique« aus dem Jahre 1958 gelangt ebenfalls eine Kirchenorgel zum Einsatz. Diese wird mit den elektronischen Klängen der damaligen Zeit konfrontiert. Indem Varèse die Orgel elektrisch verfremdet, gelingt ihm bereits Ende der 1950er Jahre eine Synthese des Mechanischen und des Elektronischen. Heute sind es keine Röhren usw. wie zu Varèses Zeiten mehr, sondern Mikrochips, die die Klänge erzeugen. »D.A.« will das Varèse’sche Experiment mit den heutigen Mitteln der Mikro-Elektronik weiter vorantreiben. Hierauf deutet der Untertitel »Microelectronic and Mechanical Movements«. Zusätzlich werden weitere analog-digitale Barrieren beseitigt: Fungiert das Cello als Grenzgänger zwischen zwei Welten, indem es als analoges Instrument durch einen Virus-Synthesizer digitalisiert wird, so überwindet die E-Gitarre die Gräben zwischen dem Mechanischen, dem Elektrischen und - in der ebenfalls digitalen Klangsynthese durch den Synthesizer - dem Elektronischen.